„Ohne zu wer­ten, schafft der Film einen in­ter­es­san­ten und si­cher auch au­then­ti­schen Ein­blick in die Pra­xis des Asyl­all­tags.“

Chris­ti­an Bux­ho­fer, Bünd­ner Tag­blatt

LIFE IN PA­RA­DI­SE - Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft

In Valz­ei­na, einem idyl­li­schen Schwei­zer Berg­dorf, steht das Aus­rei­se­zen­trum «Flüe­li». Frü­her war es ein Fe­ri­en­heim für Kin­der, heute wird es gegen den Wil­len der Ein­hei­mi­schen von ab­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den be­wohnt. Jeder Vier­te im Dorf ist nun ein «il­le­ga­ler Aus­län­der».
«Life in Pa­ra­di­se» zeigt wie die Schwei­zer As­lyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert, wie wir mit Asyl­su­chen­den in un­se­rer Nach­bar­schaft um­ge­hen, wie unser Leben sich da­durch ver­än­dert und was es be­deu­tet, als Ab­ge­wie­se­ner ab­ge­schie­den in un­se­rer Hei­mat leben zu müs­sen.

In Valz­ei­na, einem idyl­li­schen Berg­dorf, steht das Aus­rei­se­zen­trum «Flüe­li». Frü­her war es ein Fe­ri­en­heim für Kin­der, heute wird es gegen den Wil­len der Ein­hei­mi­schen von ab­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den be­wohnt. Jeder Vier­te im Dorf ist nun ein «Il­le­ga­ler Aus­län­der».
«Life in Pa­ra­di­se» zeigt wie die Schwei­zer As­lyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert, wie wir mit Asyl­su­chen­den in un­se­rer Nach­bar­schaft um­ge­hen, wie unser Leben sich da­durch ver­än­dert und was es be­deu­tet, als Ab­ge­wie­se­ner iso­liert in un­se­rer Hei­mat zu leben.
Der Film er­zählt aus dem Mi­kro­kos­mos eines klei­nen Dor­fes in­mit­ten der Schwei­zer Alpen vom glo­ba­len Thema des Zu­sam­men­tref­fens von uns Pri­vi­le­gier­ten der west­li­chen Welt mit il­le­ga­len Ein­wan­de­rern.

Wir leben in einer glo­ba­li­sier­ten Welt. Un­se­re Güter, Dienst­leis­tun­gen und unser Ka­pi­tal be­we­gen sich weit­ge­hend un­ge­hin­dert durch na­tio­na­le Gren­zen und Re­strik­tio­nen rund um den Erd­ball. Die Welt ist dabei ver­eint im wirt­schaft­li­chen Aus­tausch.
Doch für Men­schen gilt das nicht. Die Be­we­gungs­frei­heit des gröss­ten Teils der Welt­be­völ­ke­rung ist ein­ge­schränkt durch Gren­zen und Ge­set­ze. Am liebs­ten wäre es den Pri­vi­le­gier­ten, wenn die Armen ein­fach zu Hause blei­ben wür­den. Doch Mil­lio­nen sind un­ter­wegs, ge­trie­ben von der Hoff­nung auf ein bes­se­res Leben. Sie sind auf der Suche nach einer neuen Exis­tenz, einer neuen Hei­mat.
So ist die Welt ge­teilt in Hei­mat­ha­ben­de und Hei­mat­lo­se. Es wird al­ler­hand un­ter­nom­men, um die Hei­mat­lo­sen davon ab­zu­hal­ten zu uns zu kom­men. Dazu ge­hö­ren phy­si­sche Schran­ken, wie die Stahl­zäu­ne in Ari­zo­na oder recht­li­che Hin­der­nis­se, wie die Mi­gra­ti­ons- und Asyl­ge­setz­te Eu­ro­pas. Trotz­dem ver­su­chen Men­schen ins «Ge­lob­te Land» zu ge­lan­gen, dahin, wo wir woh­nen.
An der eu­ro­päi­schen Mit­tel­meer­küs­te lan­den aber­tau­sen­de Boots­flücht­lin­ge. Rund 20‘000 Men­schen stel­len jedes Jahr an der Schwei­zer Gren­ze ein Asyl­ge­such. Die aller meis­ten Ge­su­che wer­den nach gel­ten­dem Ge­setz ab­ge­lehnt.
Die Men­schen müs­sen unser Land wie­der ver­las­sen. Tun sie das nicht frei­wil­lig, wer­den sie frü­her oder spä­ter aus­ge­schafft. Bis dahin wer­den sie zu Men­schen, die auf un­be­stimm­te Zeit in un­se­rer Nach­bar­schaft leben.
Unser Film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» er­zählt aus dem Mi­kro­kos­mos eines Bünd­ner Berg­dorfs vom glo­ba­len Thema des 21. Jahr­hun­derts – dem Zu­sam­men­tref­fen der Pri­vi­le­gier­ten der west­li­chen Welt mit il­le­ga­len Ein­wan­de­rern.
«Life in Pa­ra­di­se» zeigt wie die Schwei­zer As­lyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert, wie wir mit Asyl­su­chen­den in un­se­rer Nach­bar­schaft um­ge­hen, wie unser Leben sich da­durch ver­än­dert und was es be­deu­tet, als Ab­ge­wie­se­ner iso­liert in un­se­rer Hei­mat zu leben.
Der Film er­zählt aus dem Mi­kro­kos­mos eines klei­nen Dor­fes in­mit­ten der Schwei­zer Alpen vom glo­ba­len Thema des Zu­sam­men­tref­fens von uns Pri­vi­le­gier­ten der west­li­chen Welt mit il­le­ga­len Ein­wan­de­rern.

We live in a glo­ba­li­zed world. Our wealth, busi­nes­ses and as­sets move un­tou­ched through na­tio­nal re­stric­tions and boar­ders around the world. Through this the world is joi­ned in eco­no­mic trade.
But thats not the same for peop­le. The free­dom of mo­ve­ment , for most of the worlds po­pu­la­ti­on, is li­mi­ted through boar­ders and laws. The pri­vi­le­ged world would pre­fer if the poor just stay­ed at home.
Ne­ver­the­l­ess, mil­li­ons are on the move, fil­led with the hope of a bet­ter life. They are se­ar­ching for a new exis­tence, a new home. So the world is split into those that have a home and those that do not. It would be al­most im­pos­si­ble to stop those se­ar­ching from co­m­ing to us, that also in­clu­des phy­si­cal restraints, like the steel fence in Ari­zo­na or legal hin­dran­ces, like the asyl­um sta­tu­tes in Eu­ro­pe. All the same, peop­le try to gain entry to the «Pro­mi­sed Land», where we live.
There are many thousands of boat re­fu­gees lan­ding on the Eu­ro­pean Me­di­ter­ra­ne­an coast. In Swit­z­er­land 20,000 peop­le try every year to seek asyl­um here. The most are re­fu­sed ac­cor­ding to the cur­rent sta­tu­tes. They have to leave our coun­try, if they do not go of their own free will, they will be, so­o­ner or later, de­por­ted. Until then they live, for a un­de­ter­mi­ned time, in our neigh­bourhood.
Our film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­gals in the Neigh­bourhood» is about this 21st Cen­tu­ry glo­bal issue of the pri­vi­le­ged West mee­ting the il­le­gal im­mi­grants, as told from the mi­cro­cosm of a Bünd­ner moun­tain vil­la­ge.
«Life in Pa­ra­di­se – Il­le­gals in the Neigh­bourhood» shows the workings of the Swiss asyl­um po­li­cy, how we pri­vi­le­ged peop­le from the wes­tern world deal with asyl­um see­kers in our neigh­bourhood, how our lifes are af­fec­ted by this and what it means to live as a re­jec­ted asyl­um see­ker in the «Pa­ra­di­se».

Nous vi­vons dans un monde glo­ba­lisé: les biens, les ser­vices et les ca­pi­taux cir­cu­lent li­bre­ment à tra­vers les fron­tières na­tio­na­les, lar­ge­ment sans re­stric­tions et au­tour du monde en­t­ier. Ainsi, le monde est uni dans l’échan­ge éco­no­mi­que. Tou­te­fois, le même prin­ci­pe ne s’ap­p­li­que pas aux êtres hu­mains.
La li­berté de mou­ve­ment est forte­ment re­st­rein­te pour la plus gran­de par­tie de la po­pu­la­ti­on mon­dia­le par des fron­tières et des lois. Sans doute, les pri­vilégiés préfére­rai­ent que les pau­vres de ce monde res­tent tout sim­ple­ment chez eux. Pour­tant, des mil­li­ons sont en mou­ve­ment, poussés par l’espoir d’une vie meil­leu­re. Ils sont à la re­cher­che d’une nou­vel­le exis­tence, d’un nou­veau foyer. Ainsi, le monde est divisé entre ceux qui ont un chez eux et ceux qui n’en ont pas. Nom­breux sont les mo­y­ens pour décou­ra­ger les déracinés de venir chez nous. Il y a les barrières phy­si­ques, comme les clôtures en acier sépa­rant les États Unis du Me­xi­que, mais il y a aussi les obst­a­cles ju­ri­di­ques, tels que les lois sur l’im­mi­gra­ti­on et sur l’asile d’Eu­ro­pe. Malgré ces obst­a­cles, des gens es­sai­ent d’att­eind­re la «terre pro­mi­se», l’endroit où nous vi­vons.
Chaque année, des mil­liers de boat peop­le re­joi­g­nent les côtes européennes de la médi­ter­rané. Quel­ques 20’000 per­son­nes de­man­dent chaque année l’asile aux fron­tières su­is­ses. Basé sur les lois en vi­gueur, une large ma­jo­rité de ces de­man­des est rejetée, les de­man­deurs d’asile sont obligés de quit­ter notre pays. S’ils ne le font pas vo­lon­taire­ment, ils se­ront ex­pulsés tôt ou tard. Jus­que-là ils de­vi­en­nent ces «illégaux» qui viv­ent dans notre voi­si­na­ge pour une durée indéfinie.
Dans notre film «Life in Pa­ra­di­se – illégaux dans le voi­si­na­ge», nous sui­vons une ques­ti­on glo­ba­le du 21e siècle – la ren­cont­re entre pri­vilégiés du monde oc­ci­den­tal et im­mi­grants illégaux – de­pu­is le mi­cro­cos­me d’un petit vil­la­ge des mon­ta­g­nes gri­son­nes.
«Life in Pa­ra­di­se» mont­re le fonc­tion­ne­ment de la po­li­tique d’asile su­is­se en pra­tique, la façon dont nous trai­tons les de­man­deurs d’asile dans notre voi­si­na­ge, com­ment nos vies ont changé à cause de cela et ce que peut si­gni­fier que d’être rejeté et isolée en Su­is­se. Le film nous mont­re le mi­cro­cos­me d’un petit vil­la­ge des alpes su­is­ses faisant face à un problème mon­di­al, la con­fron­ta­ti­on des pri­vilégiés du monde oc­ci­den­tal aux im­mi­grants illégaux.

Die Asyl- und Aus­län­der­the­ma­tik ist in der Schweiz ein po­la­ri­sie­ren­des und emo­tio­na­les Thema. Schon früh er­fah­ren wir, dass nicht alle Men­schen, die hier leben wol­len, auch blei­ben dür­fen.
Als Ju­gend­li­cher lern­te ich Darko ken­nen. Der Kroa­te, Ar­chi­tekt und Fa­mi­li­en­va­ter, de­ser­tier­te wäh­rend des Bür­ger­krie­ges im ehe­ma­li­gen Ju­go­sla­wi­en und floh vor sei­ner Er­schies­sung. Er er­such­te in der Schweiz um Asyl. Als Eis­meis­ter­ge­hil­fe ar­bei­te­te er in der Eis­sport­hal­le in Arosa. Ich spiel­te da­mals Eis­ho­ckey. Er er­zähl­te mir von sei­ner Flucht, sei­ner Fa­mi­lie und dem Krieg. Drei Jahre ver­gin­gen, in denen Darko je län­ger je mehr ver­zwei­fel­te. Seine Frau liess sich schei­den, sein Ver­mö­gen wurde kon­fis­ziert und seine Re­pu­ta­ti­on als Ar­chi­tekt de­mon­tiert. Die Schwei­zer Be­hör­den lehn­ten sein Asyl­ge­such in letz­ter In­stanz ab. Er muss­te in­nert drei Mo­na­te «nach Hause» zu­rück­keh­ren. Bevor die Be­hör­den ihn aus­schaf­fen konn­ten, tauch­te Darko unter. Ei­ni­ge Wo­chen spä­ter war er tot.
Vor ei­ni­gen Jah­ren, lern­te ich einen Kon­go­le­sen ken­nen. Er er­zähl­te mir, er stehe kurz vor der Aus­schaf­fung in sein Her­kunfts­land, wo er Fol­ter fürch­te­te. Er frag­te mich, ob ich ihm hel­fen könne, in der Schweiz zu blei­ben? Ich mein­te, ich müss­te es mir über­le­gen. Wir woll­ten uns am nächs­ten Abend wie­der tref­fen, doch ich ging nicht hin. Diese feige Ent­schei­dung lag mir noch lange auf dem Magen. Er hatte ein gros­ses Pro­blem und ich habe ihm nicht ge­hol­fen. Warum nicht? Wäre ich nicht mo­ra­lisch ver­pflich­tet ge­we­sen ihm zu hel­fen? Woll­te ich ein ge­set­zes­treu­er Bür­ger sein? Ich steck­te in der Zwick­müh­le zwi­schen Mit­ge­fühl und ver­nünf­ti­gem Den­ken. Die­ses Di­lem­ma be­rei­tet mir Kopf­zer­bre­chen. Ich sehne mich nach einer kla­ren Hal­tung, die nicht nur in der Theo­rie be­ste­hen kann, son­dern auch im All­tag im di­rek­ten Kon­takt mit rea­len Leben.
Mit mei­nem Film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» will ich auf­zei­gen, was es be­deu­tet, tag­täg­lich die­sem Hin- und Her­ge­ris­sen­sein aus­ge­setzt zu sein und mit ihm zu leben. Mit dem Ziel, zu einer von dua­lis­ti­schen Sicht­wei­sen los­ge­lös­ten Dis­kus­si­on an­zu­re­gen und auf­zu­zei­gen, dass es keine ein­fa­chen Ant­wor­ten gibt.
Roman Vital, Re­gis­seur

The asyl­um and for­eign is­su­es in Swit­z­er­land are po­la­ri­zing and emo­tio­nal.We rea­li­ze early on that not all peop­le who want to live here are per­mit­ted to stay. As a teen­ager I got to know Darko. The Croa­ti­an, ar­chi­tect and fa­ther de­ser­ted du­ring the Civil War in Yu­go­s­la­via and es­caped just be­fo­re his exe­cu­ti­on. He at­temp­ted to seek asyl­um in Swit­z­er­land. He worked as an as­sis­tant to the main­ten­an­ce ma­na­ger in the ice sports sta­di­um in Arosa. I play­ed ho­ckey then. He told me about his es­cape, his fa­mi­ly and the war. Three years pas­sed as Darko be­ca­me more and more des­pe­ra­te. His wife filed for di­vorce, his as­sets were con­fis­ca­ted and his re­pu­ta­ti­on as an ar­chi­tect was shat­te­red. The Swiss Ad­mi­nis­tra­ti­on tur­ned down his claim for asyl­um at the last mi­nu­te, he would have to re­turn „home“ wi­t­hin three months. Be­fo­re he could be de­por­ted, he went into hiding. A few weeks later, he was found dead.
A few years ago I met a man from the Congo. He told me he was about to be de­por­ted back to his own coun­try, where he fea­red he would be tor­tu­red. He asked me if I could help him, I told him I would have to think about it first. We ar­ran­ged to meet the next eve­ning but I did not go. This co­ward­ly de­ci­si­on stay­ed with me for a long time. He had a huge pro­blem and I did not help. Why not? Was I not mo­ral­ly ob­li­ga­ted to help him? Did I want to be a strai­ght-la­ced ci­ti­zen? I was trap­ped bet­ween sym­pa­thi­zing and le­vel-hea­ded thin­king. This issue con­foun­ded me. I lon­ged for clea­rer re­so­lu­ti­ons, that can not only work in theo­ry but in ever­y­day life, in di­rect con­tact with real peop­le.
With my film „Life in Pa­ra­di­se“, I want to show what it is like to live, ever­y­day, with this fee­ling of being torn and the in­ter­nal con­flict that comes with it. The final goal being to evoke li­be­ral dis­cus­sions from many dif­fe­rent per­spec­tives and to show there are no easy an­s­wers.

Pressestimmen

Roman Vital – «Die Ver­schär­fung des Asyl­rechts hat mich be­un­ru­higt»

Der 1975 in Arosa ge­bo­re­ne Roman Vital ver­steht sich als «Tür­öff­ner zwi­schen Kul­tu­ren». Sein Film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» er­zählt über das Aus­rei­se­zen­trum «Flüe­li» in Valz­ei­na und wie die Be­völ­ke­rung dar­über denkt.
von Karl Wüst

Zwei dunk­le Män­ner­ge­sich­ter, fron­tal ge­filmt, er­zäh­len sich, was sie sehen. «Schau mal, dort unten fährt ein Zug. Über­all hat die Schweiz Züge.» Schnitt. Jetzt sieht man die Män­ner von hin­ten: Sil­hou­et­ten im Ge­gen­licht auf einem Bal­kon. Im Hin­ter­grund eine Land­schaft wie ein Ge­mäl­de von Hod­ler: um­wölk­te Berg­spit­zen, dar­über blau­er Him­mel. «Das muss Schnee sein. Siehst du das auch?»
Und in das präch­ti­ge, son­nen­be­schie­ne­ne Pan­ora­ma hin­ein fragt der eine: «Er­in­nerst du dich an die Ge­schich­te von Moses aus der Bibel? Gott sagte ihm, du wirst das ge­lob­te Land sehen, aber nie­mals ein­tre­ten. Genau wie wir.»

Sturm der Ent­rüs­tung

Die Szene spielt in «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft», einem Do­ku­men­tar­film über das Asyl­we­sen in der Schweiz, den der Bünd­ner Roman Vital ge­dreht hat. Im Mit­tel­punkt ste­hen das Aus­rei­se­zen­trum, das der Kan­ton Grau­bün­den seit 2007 in Valz­ei­na be­treibt, und die Dorf­be­völ­ke­rung, die dazu Stel­lung be­zieht.
«Flüe­li» heisst das Zen­trum weit oben in der Streu­sied­lung, ein­ge­bet­tet in eine idyl­li­sche vor­al­pi­ne Land­schaft im vor­de­ren Prät­ti­gau. Es be­her­bergt ab­ge­wie­se­ne Asyl­su­chen­de – wie die zwei Män­ner auf dem Bal­kon –, um sie zur frei­wil­li­gen Aus­rei­se in ihre Hei­mat­län­der zu be­we­gen. Als der Kan­ton das «Flüe­li» kauf­te, löste er im Dorf «ein klei­nes Erd­be­ben» aus, wie sich eine Be­woh­ne­rin im Film er­in­nert. «Das war ganz schlimm. Dass wir mit 40 bis 50 Frem­den zu­sam­men­le­ben müs­sen, hat uns Sor­gen ge­macht.» Al­ler­dings seien diese Sor­gen «nun viel­leicht ein biss­chen un­be­rech­tigt» ge­we­sen. «Zum Glück.»
Den An­stoss zu sei­nem Film habe «die 2006 ein­ge­lei­te­te Ver­schär­fung des Asyl­rechts» ge­ge­ben, sagt Roman Vital, als wir auf der Au­to­bahn von Zü­rich Rich­tung Valz­ei­na fah­ren. «Das hat mich sehr be­un­ru­higt.» 2008 hörte er vom «Flüe­li», be­such­te den Ort und fass­te den Ent­schluss, die Si­tua­ti­on «sicht­bar zu ma­chen» und «uns Pri­vi­le­gier­te der west­li­chen Welt zum Nach­den­ken an­zu­re­gen».

Schran­ken ab­bau­en

Der 1975 in Arosa ge­bo­re­ne Vital ver­steht sich als «Tür­öff­ner», als einer, der Schran­ken zwi­schen Wel­ten und Kul­tu­ren ab­baut, als einer auch, der gerne Ge­schich­ten er­zählt dar­über, «wie sich die Ge­sell­schaft ver­än­dert und wie wir Men­schen mit­ein­an­der um­ge­hen».
Die al­lei­ni­ge Wahr­heit gibt es in «Life in Pa­ra­di­se» nicht. Der Film soll die Viel­falt der hier herr­schen­den Mei­nun­gen zur Gel­tung brin­gen. Er habe ver­sucht einen «wert­frei­en» Film» zu dre­hen, be­tont der Re­gis­seur, einen, der nie­man­den be­vor­mun­det. «Jeder Zu­schau­er muss die Si­tua­ti­on in Valz­ei­na selbst be­ur­tei­len.» Wenn sein Film aber dazu bei­tra­ge, dass Vor­ur­tei­le hin­ter­fragt wür­den, sei das ein Er­folg.
Rea­li­siert hat Vital sein Pro­jekt in den fünf Jah­ren vor der Pre­mie­re im April 2013 in Chur. Zu­erst galt es, Über­zeu­gungs­ar­beit zu leis­ten, Ver­trau­en zu schaf­fen bei den kan­to­na­len Be­hör­den in Chur, bei der Zen­trums­lei­tung im «Flüe­li», bei der Dorf­be­völ­ke­rung und bei den Asyl­su­chen­den. Dafür brauch­te Vital ein­ein­halb Jahre.
Die Dreh­ar­bei­ten dau­er­ten vier Wo­chen. «Nötig ge­we­sen wären ei­gent­lich wei­te­re vier Wo­chen, dafür reich­te das Geld aber nicht.» Der Film kos­te­te rund 300 000 Fran­ken. Der Kan­ton Grau­bün­den, Stif­tun­gen, Pri­va­te und Mi­gros Kul­tur­pro­zent steu­er­ten ins­ge­samt 140 000 Fran­ken bei.
Die rest­li­chen 160 000 Fran­ken schoss die Kol­lek­tiv­ge­sell­schaft «klub­kran» in Zü­rich ein. «Klub­kran»: Das sind drei Leute, drei Ein­zel­fir­men, die seit 2006 ge­mein­sam Do­ku­men­tar­fil­me für Kino, Fern­se­hen und DVD pro­du­zie­ren. Roman Vital ist Rea­li­sa­tor (Autor, Regie, Schnitt), San­dro Zol­lin­ger Pro­du­zent und Autor, wäh­rend der Pro­du­zent Andri Probst auch für Musik und Sound­de­sign zu­stän­dig ist.

Filme quer­fi­nan­zie­ren

«Alle un­se­re Filme ent­ste­hen im Team», sagt Roman Vital. Ent­schei­dend ist das Prin­zip der Quer­fi­nan­zie­rung. Vital er­klärt das so: «Klub­kran» pro­du­zie­re Filme, «die etwas ein­brin­gen, die sich als DVDs gut ver­kau­fen las­sen», und «Filme mit Herz­blut» zu ge­sell­schaft­lich kom­ple­xen The­men. «Mit den Ein­nah­men der ers­ten Ka­te­go­rie fi­nan­ziert sich die zwei­te.»
In die erste Ka­te­go­rie ge­hö­ren Filme über die Eis­ho­ckey-Clubs Arosa, Bern und Davos. «Life in Pa­ra­di­se» hätte er ohne Quer­fi­nan­zie­rung nicht dre­hen kön­nen. Vor allem des­halb, weil ihm die gros­sen För­der­töp­fe der öf­fent­li­chen Hand – das Bun­des­amt für Kul­tur, die Zür­cher Film­stif­tung und Schwei­zer Radio und Fern­se­hen – ihre Un­ter­stüt­zung ver­sag­ten.
Die Chan­cen, dass öf­fent­li­ches Geld fliesst, seien eher ge­ge­ben, «wenn der Re­gis­seur schon be­kannt ist und viele Prei­se ge­won­nen hat», sagt Roman Vital. Ge­för­dert wür­den vor allem Filme, «von denen man an­neh­men kann, dass sie an den Ki­no­kas­sen gutes Geld ein­spie­len». Das neu­es­te Film­för­der­kon­zept des Bun­des­am­tes für Kul­tur gibt Vital recht: Darin ist der Er­folg als Kri­te­ri­um fest­ge­schrie­ben. Das führe dazu, dass bei der Ver­ga­be der Gel­der wirt­schaft­li­che und nicht in­halt­li­che In­ter­es­sen im Vor­der­grund stün­den, sagt Vital. «Lei­der ist Film­för­de­rung in der Schweiz oft­mals Wirt­schafts­för­de­rung und nicht Kul­tur­för­de­rung.»
Von ihrem Weg ab­brin­gen las­sen sich die drei Fil­mer von «Klub­kran» da­durch nicht. Mit gutem Grund: Der Ki­no­film «Life in Pa­ra­di­se» hat in den Me­di­en ein star­kes Echo aus­ge­löst. Ins Pro­gramm auf­ge­nom­men haben ihn auch Fes­ti­vals in So­lo­thurn, Ber­lin, Kiew, Graz, Mün­chen und in Paris. Hier er­öff­ne­te er im März 2014 das Fes­ti­val In­ter­na­tio­nal du Film des Droits de l’Homme und wurde mit dem Spe­zi­al­preis der Jury und dem UNHCR-Preis aus­ge­zeich­net.

Film­schu­le in Lud­wigs­burg

Wie aber ist Roman Vital zum Do­ku­men­tar­fil­mer ge­wor­den? Sein Vater habe eine Film­ka­me­ra ge­habt, er­zählt er. Die ju­gend­li­che Neu­gier habe ihn an­ge­trie­ben, «damit etwas zu pro­du­zie­ren». In Ko­ope­ra­ti­on mit Freun­den sei sein ers­ter Film ent­stan­den: ein Film über «un­se­re da­ma­li­ge Be­find­lich­keit». Er sei in Arosa er­folg­reich ge­zeigt wor­den.
Eine Film­schu­le zu be­su­chen, ge­trau­te sich Roman Vital zu­erst nicht. Er stu­dier­te Jour­na­lis­tik und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft in Frei­burg, bevor er die Auf­nah­me­prü­fung an der Film­aka­de­mie Ba­den-Würt­tem­berg in Lud­wigs­burg be­stand. «Ich woll­te aus der Schweiz raus. Denn um sie ken­nen­zu­ler­nen, muss­te ich sie ver­las­sen.»
Nach­dem Vital das Rüst­zeug (Dreh­buch, Regie, Ka­me­ra, Schnitt) ge­lernt hatte, stell­te sich die Frage: «Do­ku­men­tar­film oder Spiel­film?». Er ent­schied sich für den Do­ku­men­tar­film, «weil ich Men­schen nicht in­sze­nie­ren, son­dern so zei­gen möch­te, wie sie sind». Er spieg­le die Wirk­lich­keit und zeige mit frei zu­sam­men­ge­stell­ten Aus­schnit­ten, wie er sie in­ter­pre­tie­re. Als Fil­mer mache er so «un­ver­fälscht gül­ti­ge Aus­sa­gen», be­tont Vital.

Ver­trag der Ehr­lich­keit

Mitt­ler­wei­le haben wir Land­quart pas­siert und fah­ren hoch nach Valz­ei­na. Er freue sich, Leute hier wie­der an­zu­tref­fen, sagt Roman Vital, wäh­rend er rou­ti­niert die engen Kur­ven nimmt. Die Stras­se ist so steil wie die letz­te Weg­stre­cke zum fer­ti­gen Film: der Schnitt, der ihn, im Ge­gen­satz zum Au­to­fah­ren, immer sehr be­an­spru­che. Die krea­ti­ve, an­stren­gen­de Ar­beit sei «ein in­ti­mer Pro­zess», der ihn «bis in die Träu­me» ver­fol­ge.
Für «Life in Pa­ra­di­se» hat Vital 30 Stun­den Film mit ins Ate­lier ge­nom­men. Dar­aus stell­te er den Roh­schnitt her. Es folg­ten – in Dis­kus­si­on mit sei­nem Team– die schritt­wei­sen Kür­zun­gen, Um­stel­lun­gen, Mon­ta­gen bis zur 78-mi­nü­ti­gen End­fas­sung, die sei­nem An­spruch auf Au­then­ti­zi­tät ge­nüg­te.
Um diese Au­then­ti­zi­tät zu er­rei­chen, habe er, wie immer in sei­nen Film­pro­jek­ten, mit den Prot­ago­nis­ten und dem Pu­bli­kum einen «Ver­trag der Ehr­lich­keit» ab­ge­schlos­sen, sagt Vital, wäh­rend er sei­nen Bus vor dem «Flüe­li» par­kiert. Re­spekt sei sein obers­tes Gebot.
Dass der Ver­trag im Kopf ge­gen­sei­tig funk­tio­niert, zeigt sich, als uns der Zen­trums­lei­ter Ernst Wüest emp­fängt. Das freund­li­che Ge­spräch in sei­nem Büro, wo in Form einer Wand­kar­te die ganze Welt an­we­send ist, macht deut­lich, dass ihm die Zu­sam­men­ar­beit mit Vital und des­sen Crew, dem Ka­me­ra­mann Piotr Jaxa und dem Tön­ler Tho­mas Gas­s­mann, in guter Er­in­ne­rung ge­blie­ben ist.
Im Film spielt Wüest eine wich­ti­ge Rolle. Er hat vom Kan­ton den Auf­trag, die Asyl­su­chen­den zur Aus­rei­se zu be­we­gen. Er tut das mit Über­zeu­gung, offen und klar. «Eine Freu­de an die­ser Ar­beit, neben an­de­ren, ist si­cher­lich, wenn sich je­mand ent­schliesst zu­rück­zu­rei­sen. Aber ich bin auch froh, selbst wenn das hart klingt, wenn einer ab­ge­scho­ben wird. Dann wird er ge­zwun­gen, sein Leben wie­der in die ei­ge­nen Hände zu neh­men.»

Zwei Frak­tio­nen gegen Zen­trum

Auf der Fahrt run­ter zum Schul­haus er­zählt Vital, wie das Dorf auf das Aus­rei­se­zen­trum re­agiert hat. Bevor es er­öff­net wor­den sei, habe es zwei Frak­tio­nen ge­ge­ben, die es – aus ge­gen­sätz­li­chen Mo­ti­ven – ver­hin­dern woll­ten. Die eine Frak­ti­on lehn­te Asyl­su­chen­de grund­sätz­lich ab, die an­de­re war ihnen freund­lich ge­sinnt, fand es aber un­mensch­lich, sie in einem so ab­ge­le­ge­nen Aus­rei­se­zen­trum zu iso­lie­ren.
Seit der Er­öff­nung gebe es in die­ser Frage keine Dorf­ge­mein­schaft mehr. Man gehe sich aus dem Weg, sagt Vital. Ein­zig der Ver­ein Mit­ein­an­der Valz­ei­na, der als «So­li­da­ri­täts­netz» Un­ter­stüt­zungs- und Be­geg­nungs­mög­lich­kei­ten für die Asyl­su­che­n­en­den or­ga­ni­siert, for­de­re auf sei­ner Web­site zum Ge­spräch auf.
Der Ver­ein Mit­ein­an­der kommt auch in Vi­tals Film zu Wort. «Wir sagen die­sen Leu­ten ja auch immer, geht wenn immer mög­lich nach Hause», be­tont ein Mit­glied. Wo­ge­gen man sich aber wehre, sei «die Un­mensch­lich­keit», dass näm­lich die Asyl­su­chen­den «mit der Ab­leh­nung des Asyl­an­trags alle Rech­te ver­lie­ren».

Ver­gif­te­te Idyl­le

Wie das Leben ab­ge­wie­se­ner Asyl­be­wer­ber in einem so ge­nann­ten «Aus­rei­se­zen­trum» – jenem im bünd­ne­ri­schen Valz­ei­na – aus­sieht, zeigt Roman Vital in «Life in Pa­ra­di­se». Ein so bild­star­ker wie un­be­que­mer Do­ku­men­tar­film.
von Geri Krebs

«Wovon leben die Schwei­zer ei­gent­lich? Woher kommt ihr Reich­tum?» Ein jun­ger Ni­ge­ria­ner, der of­fen­sicht­lich neu im Zen­trum ist, stellt diese Frage beim Essen sei­nem ihm ge­gen­über sit­zen­den Lands­mann, der of­fen­bar schon bes­ser mit den Ge­ge­ben­hei­ten der Schweiz ver­traut ist. «Sie haben die Welt­bank, die schützt ihren Reich­tum», weiss der an­de­re.
Es folgt ein har­ter Schnitt, man sieht in einer per­fek­ten Pan­ora­ma­auf­nah­me die Ter­ras­se des Zen­trums, in der Bild­mit­te eine hohe Fah­nen­stan­ge mit einer im Wind we­hen­den Schwei­zer Fahne vor einem blau­en Him­mel, von Ber­gen um­rahmt. Nach die­sem we­ni­ge Se­kun­den kur­zen In­ter­mez­zo geht es zu­rück zum Ge­spräch der bei­den Afri­ka­ner, und einer sagt jetzt, das Ge­bäu­de wäre ge­eig­net als Ge­fäng­nis, als Ka­ser­ne oder als psych­ia­tri­sche Kli­nik.

Ab­sur­di­tät im Flüe­li

Seit De­zem­ber 2007 exis­tiert das «Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li», auf 1100 Me­tern Höhe in Valz­ei­na, einem 140 Ein­woh­ner und Ein­woh­ne­rin­nen zäh­len­den Dorf am Ein­gang zum Prät­ti­gau. Die bei­den jun­gen Ni­ge­ria­ner brin­gen auf den Punkt, was diese über die Köpfe der Be­völ­ke­rung hin­weg durch­ge­setz­te In­sti­tu­ti­on ist: ein sicht­ba­res Zei­chen der Will­kür und des Elends der Schwei­zer Asyl­po­li­tik, die, statt sich um ef­fek­ti­ve Hilfe in den Her­kunfts­län­dern der Flücht­lin­ge zu be­mü­hen, sich lie­ber immer neue Schi­ka­nen aus­denkt, um un­er­wünsch­te Men­schen davon ab­zu­hal­ten, in der Schweiz zu blei­ben. In die­sem Fall mit der Ab­sur­di­tät, dass man Men­schen auf einen Berg hin­auf­karrt, sie dort mit einer Mi­ni­mal­in­fra­struk­tur zum Nichts­tun ver­dammt und hofft, sie so zu zer­mür­ben und ihnen klar zu ma­chen: Swit­z­er­land does not want you to stay here – wie es eine Zen­trums­an­ge­stell­te einem Flüe­li-In­sas­sen in einer Szene des Films er­klärt.
In sei­nem Be­mü­hen, kein Pam­phlet zu sein und dem Zu­schau­er grösst­mög­li­che Frei­heit beim Bil­den einer ei­ge­nen Mei­nung zu las­sen, geht der Film sehr weit. Mit gros­sem Ge­schick und Bil­dern, die die Hand­schrift eines Ka­me­ra­künst­lers ver­ra­ten – näm­lich jene von Piotr Jaxa, be­kannt durch seine Zu­sam­men­ar­beit mit Krzy­sz­tof Kiéslow­ski – zeigt «Life in Pa­ra­di­se» das Leben in Valz­ei­na von nicht we­ni­ger als vier Sei­ten: jener der Asyl­be­wer­ber, der An­ge­stell­ten im Zen­trum, des Ver­eins «Mit­ein­an­der Valz­ei­na» und schliess­lich der Leute im Dorf. Wäh­rend bei letz­te­ren eher er­staun­lich ist, wie sach­lich und un­po­le­misch die meis­ten Voten er­schei­nen, zeigt Roman Vital bei den Ak­ti­vis­ten und Ak­ti­vis­tin­nen des Ver­eins ganz bei­läu­fig deren Di­lem­ma: dass ihre so­li­da­ri­sche Hal­tung bei den Asyl­be­wer­bern fast zwangs­läu­fig fal­sche Hoff­nun­gen weckt.

Die gros­se Welt im klei­nen Dorf

Er habe sich be­müht, ein ex­trem stil­ler Be­ob­ach­ter zu sein, sagt Re­gis­seur Vital. Und: Ihm sei es unter an­de­rem darum ge­gan­gen, eine Me­ta­pher dafür zu schaf­fen, was es heis­se, wenn ein klei­nes Dorf mit der gros­sen Welt kon­fron­tiert werde. Seit sei­ner re­gio­na­len Pre­mie­re vor Jah­res­frist in Chur ist «Life in Pa­ra­di­se» an zahl­rei­chen Orten im In- und Aus­land ge­zeigt wor­den, von den So­lo­thur­ner Film­ta­gen über ein Men­schen­rechts­film­fes­ti­val in Paris bis hin zum Kath­man­du In­ter­na­tio­nal Moun­tain Film­fes­ti­val.
Kürz­lich war er auch – in einer ver­stüm­mel­ten Ver­si­on – zur Prime Time am Schwei­zer Fern­se­hen zu sehen. Und der Film wird wei­te­re Ver­brei­tung fin­den; so will ihn jener in Chur le­ben­de ni­ge­ria­ni­sche Pfar­rer, der am Film als Über­set­zer mit­ar­bei­te­te, auch in sei­nem Hei­mat­land vor­füh­ren.

Pa­ra­dies in Grau­tö­nen – ein Fil­mer schaut hin

Mit sei­nem preis­ge­krön­ten Film «Life in Pa­ra­di­se» do­ku­men­tiert Roman Vital die un­lös­ba­ren Kon­flik­te in der Schwei­zer Asyl­po­li­tik.
von Rein­hard Kramm

Seine Schlä­fen sind grau ge­wor­den, der Blick aus einem blau­en und einem brau­nen Auge ist immer noch strah­lend. Vor 25 Jah­ren tra­fen wir uns, da war Roman Vital sech­zehn­jäh­ri­ger Kon­fir­mand in Arosa. Nun sit­zen wir auf ei­lends her­bei­ge­schaff­ten Bie­der­mei­er­stüh­len im Be­ton­raum an der Zür­cher Zweier­strasse. Am 15. Mai läuft sein ers­ter lan­ger Do­ku­men­tar­film im Schwei­zer Fern­se­hen, zur bes­ten Sen­de­zeit. «Life in Pa­ra­di­se» han­delt von den Men­schen im Bünd­ner 200-See­len-Dorf Valz­ei­na und den zwan­zig ab­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den im Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li da­ne­ben.

Kein Bou­le­vard

Roman ist Fil­me­ma­cher ge­wor­den. Seit acht Jah­ren kämpft er darum, sich mit sei­nen Part­nern in Zü­rich durch­zu­set­zen. Keine ein­fa­che Sache, vor allem nicht bei ihren Mass­stä­ben: Einen neu­tra­len Film über Asyl­po­li­tik woll­ten sie rea­li­sie­ren, kei­nen Schnell­schuss, keine ein­sei­ti­ge Zu­spit­zung, keine Re­duk­ti­on auf zwei oder drei Prot­ago­nis­ten, kei­nen Bou­le­vard. Im Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li leben ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber, wel­che die Schweiz ver­las­sen müs­sen oder aus­ge­schafft wer­den. Sie leben unter Not­hil­fe, er­hal­ten nur Le­bens­mit­tel, kein Geld. Die Be­woh­ner in Valz­ei­na haben ge­spal­te­ne Mei­nun­gen zu den Men­schen im Flüe­li. «Life in Pa­ra­di­se» soll zei­gen, wie kom­plex die Wirk­lich­keit in die­sem Dorf ist. Und in der Schwei­zer Asyl­po­li­tik.

Keine Par­tei­nah­me

Einen lan­gen Erst­lings­film un­ter­stützt nie­mand un­be­se­hen, das Schwei­zer Fern­se­hen wink­te zwei­mal ab. 140 000 Fran­ken konn­ten die Fil­me­ma­cher zu­sam­men­brin­gen, 300 000 kos­te­te der Film, die Dif­fe­renz zahl­ten sie pri­vat. «Man muss sich das Thema sehr gut über­le­gen», sagt Roman Vital, «ein Film ist wie ein Kind ge­bä­ren, das einen lange be­glei­tet.» Da sum­mie­ren sich ein­ein­halb Pro­duk­ti­ons­jah­re, zwei Mo­na­te vor Ort, Schnitt, Vor­füh­run­gen, Kri­ti­ken. Als der Film quasi fer­tig war, kam der Durch­bruch. Im Fe­bru­ar lief «Life in Pa­ra­di­se» am Film­fes­ti­val So­lo­thurn, im März er­hielt der Film den gros­sen Preis des UNO-Flücht­lings­hilfs­werks in Paris. Dann kam das Schwei­zer Fern­se­hen – doch noch.
«Wir su­chen die Grau­tö­ne», sagt Vital, «die Zu­schau­er müs­sen sel­ber ent­schei­den, wie sie das Ver­hal­ten der Prot­ago­nis­ten fin­den.» Prot­ago­nis­ten sind der Heim­lei­ter, der seine Linie durch­zie­hen will, der em­pa­thi­sche Nacht­wäch­ter, Dorf­bewohner, die sich vom Kan­ton über­rum­pelt füh­len, Sym­pa­thi­san­ten, Geg­ner. Und Ab­ge­wie­se­ne, ent­täuscht von der Schweiz, träu­mend, la­chend. Alle muss­ten Ja sagen zu dem Film, über­zeugt wer­den, dass sie nicht übers Ohr ge­hau­en wer­den – und er­tra­gen, dass die an­de­re Seite auch zu Wort kommt. Ein­mal wurde Vital als «Scher­ge des Kan­tons» mit der Heu­ga­bel vom Hof ge­jagt, dann wie­der als «Po­li­zist» von Asyl­su­chen­den miss­trau­isch ge­schnit­ten.

Keine Lö­sung

«Nur weil wir den Kon­sens su­chen, heisst das nicht, dass Men­schen mit an­de­ren po­li­ti­schen An­sich­ten ihn auch su­chen», sagt er, und: «Es gibt keine ma­the­ma­ti­sche Lö­sung in die­ser Si­tua­ti­on.» Man sieht in sein strah­len­des brau­nes und blau­es Auge und ver­steht: Grau­tö­ne sind für Roman Vital die ei­gent­li­che Farbe.

Un film su­is­se gagne le prix HCR au Fes­ti­val In­ter­na­tio­nal du Film des Droits de l’Homme (FIFDH) à Paris

Le film-do­cu­men­taire su­is­se « Life in Pa­ra­di­se » a rem­porté le pre­mier prix HCR du meil­leur do­cu­men­taire trai­tant des ques­ti­ons liées aux réfugiés, apa­tri­des, de­man­deurs d’asile ou déplacés in­ter­nes du­rant le Fes­ti­val In­ter­na­tio­nal du Film des Droits de l’Homme (FIFDH) de Paris. C’est la première fois que le HCR s’as­so­cie au FIFDH pour at­tri­buer ce prix, doté de 1 000 euros.

« Life in Pa­ra­di­se » présente un vil­la­ge mon­ta­gnard dans le can­ton su­is­se des Gri­sons qui est af­fecté de­pu­is que le Gou­ver­ne­ment helvétique y a établi le cent­re Flüe­li, un « cent­re de requérants déboutés » pour les de­man­deurs d’asile qui se sont vus re­fu­ser le sta­tut de réfugié.

Roman Vital, le réali­sa­teur de « Life in Pa­ra­di­se », a déjà gagné plu­sieurs prix pour son tra­vail. Il vit à Zu­rich de­pu­is 2006 et il a étudié le mon­ta­ge et le tour­na­ge pen­dant cinq ans à l’Académie du Film de Ba­de-Wur­tem­berg en Al­le­ma­gne.

Lors du débat qui a suivi la pro­jec­tion de son film au FIFDH, Roman Vital a déclaré avoir tenté de mon­trer en toute ob­jec­tivité la ques­ti­on des de­man­deurs d’asile en Su­is­se, y com­pris les opi­ni­ons des ha­bi­tants du vil­la­ge idyl­li­que de Valz­ei­na – qui ab­ri­te le cent­re de requérants déboutés – ainsi que cel­les des fonc­tion­nai­res qui tra­vail­lent dans ce cent­re.

« Ce fut très intéres­sant pour nous de par­ti­ci­per à la 12ème édi­ti­on du fes­ti­val du film des droits de l’homme, en tant que par­te­n­ai­re et jury » a ex­pli­qué Wil­li­am Spind­ler, por­te-pa­ro­le du HCR, pen­dant la cérémonie de re­mi­se du prix le mardi der­nier à Paris.

« Nous avons tous un rôle très im­portant à jouer pour amélio­rer le re­spect des Droits de l’Homme à tra­vers le monde. C’est pour­quoi nous ai­me­ri­ons que les si­tua­ti­ons dif­fi­ci­les des per­son­nes qui fui­ent la persécu­ti­on et la gu­er­re so­i­ent con­nues et re­con­nues par le plus grand nom­bres de per­son­nes pos­si­bles, pour faire en sorte que leurs droits les plus élémen­taires so­i­ent re­spectés », a-t-il ajouté.

Le do­cu­men­taire « Life in Pa­ra­di­se » a été choi­si par le jury parmi les cinq films en compéti­ti­on pour le Prix HCR. Le jury comp­tait les mem­bres sui­vants : Phil­ip­pe Le­clerc, représen­tant du HCR à Paris, Ca­ro­li­ne Bro­thers, écri­vain et jour­na­lis­te à l’In­ter­na­tio­nal New York Times, et le réali­sa­teur Jo­na­than Mil­let, dont le do­cu­men­taire « Ceuta, douce pri­son » est sorti au cinéma en jan­vier 2014. « La mise en scène de Life in Pa­ra­di­se est extrême­ment réfléchie, précise et apte à trans­mett­re des émo­ti­ons », a in­di­qué ce der­nier.

Le douzième Fes­ti­val In­ter­na­tio­nal du Film des Droits de l’Homme de Paris était prévu du 11 au 18 mars au cinéma « Le Nou­veau La­ti­na » dans le quar­tier pa­ri­si­en du Ma­rais, ainsi que du 19 au 22 mars dans plu­sieurs sal­les de Paris et d’Île-de-Fran­ce.

Par­allèle­ment au prix HCR, « Life in Pa­ra­di­se » a été aussi récom­pensé par un prix spécial du jury de la compéti­ti­on of­fi­ci­el­le du FIFDH, com­posé des do­cu­men­ta­ris­tes Régis Sau­der et Ma­nue­la Frésil, d’Irène Omélia­nen­ko, con­seillère de pro­gram­mes au do­cu­men­taire et à la création so­no­re de Fran­ce Cul­tu­re et enfin de Jean-Lou­is Ber­dot, uni­ver­si­taire et réali­sa­teur de do­cu­men­taires.

Drin­nen vor der Tür

von Geri Krebs

Wie die Schwei­zer Flücht­lings­po­li­tik der Ge­gen­wart aus­sieht, zeig­te mit hoher Ein­dring­lich­keit am Sams­tag­mor­gen ein Do­ku­men­tar­film des jun­gen Bünd­ner Re­gis­seurs Roman Vital, eines Ab­sol­ven­ten der Film­aka­de­mie Ba­den-Würt­tem­berg. «Life in Pa­ra­di­se» heisst der Film über das seit 2007 exis­tie­ren­de «Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li» in dem klei­nen Prät­ti­gau­er Berg­dorf Valz­ei­na, wo meh­re­re Dut­zend ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber, zum Teil seit fünf Jah­ren zum Nichts­tun ver­dammt, ihrer Ab­schie­bung har­ren, wäh­rend sie noch immer nicht von der ir­ri­gen Hoff­nung las­sen mögen, viel­leicht doch in der Schweiz blei­ben zu kön­nen.

Noch sel­ten hat ein Do­ku­men­tar­film das Elend und die Will­kür der schwei­ze­ri­scher Asyl­po­li­tik so dras­tisch auf­ge­zeigt, die, statt sich um ein grif­fi­ges Asyl­ver­fah­ren oder ef­fi­zi­en­te Hilfe für Flücht­lin­ge in Kri­sen­re­gio­nen zu be­mü­hen, den Men­schen immer wie­der fal­sche Hoff­nun­gen auf eine Le­bens­per­spek­ti­ve in der Schweiz macht. Mit grösst­mög­li­cher Sach­lich­keit, aber auch mit eben­so gros­ser vi­su­el­ler Ge­stal­tungs­kraft (Ka­me­ra: der Kies­low­ski-Ka­me­ra­mann Piotr Jaxa) war «Life in Pa­ra­di­se» in die­sen ers­ten Tagen in So­lo­thurn der her­aus­ra­gends­te Bei­trag zum Thema Mi­gra­ti­on.

Bil­der­star­ker Be­ob­ach­ter

von Sa­bi­ne Al­tor­fer

Roman Vital führt uns in «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» bil­der­stark ins Aus­schaf­fungs­la­ger Flüe­li in bünd­ne­ri­schen Valz­ei­na. Wer hier lan­det, hat kei­nen An­spruch, weder auf eine Zu­kunft in der Schweiz noch auf So­zi­al­hil­fe der Frei­heit. Vital schafft es, dass die Dörf­ler er­staun­lich offen über ihre Ängs­te und Er­fah­run­gen be­rich­ten, er lässt den Heim­lei­ter die Re­geln er­klä­ren, einen Un­ter­stüt­zungs­ver­ein über mög­li­che Hilfe de­bat­tie­ren und er be­ob­ach­tet den All­tag, den Frust der Be­woh­ner. Aber warum fragt er die Be­trof­fe­nen nicht? Woll­ten sie nicht? Durf­ten sie nicht? Wir er­fah­ren es nicht – und so bleibt neben viel Be­rüh­ren­dem der Ein­druck, dass auch der Film das macht, was in die­sen Ver­fah­ren un­fair ist: Über die Köpfe der Be­trof­fe­nen hin­weg zu ent­schei­den…

Zwei Jahre rund ums Asyl­zen­trum

Der 1975 in Grau­bün­den ge­bo­re­ne Roman Vital zeigt in sei­nem ers­ten lan­gen Ki­no­do­ku­men­tar­film «Life in Pa­ra­di­se» mit dem Un­ter­ti­tel «Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft», wie die Pra­xis der Schwei­zer Asyl­po­li­tik (nicht) funk­tio­niert.
von Geri Krebs

Herr Vital, wann sind Sie auf das Thema der ab­ge­wie­se­nen Asyl­be­wer­ber ge­stos­sen und wie kam es, dass Sie dann dar­über einen Film rea­li­sier­ten?

Roman Vital: Als ich 2006 noch an der Film­aka­de­mie Baden Würt­tem­berg stu­dier­te, hatte ich aus der Dis­tanz die da­ma­li­ge Ab­stim­mung in der Schweiz über die Ver­schär­fung des Asyl­ge­set­zes mit­ver­folgt. Ich hatte auch ab­ge­stimmt, und ich war be­trof­fen über das Re­sul­tat, merk­te aber gleich­zei­tig, dass ich von der Ma­te­rie ei­gent­lich keine Ah­nung hatte. Kurz dar­auf kehr­te ich in die Schweiz zu­rück und be­gann mit mei­nem Halb­wis­sen, mich in die Asyl­pro­ble­ma­tik zu ver­tie­fen. Dabei fiel mir auf, dass es zwar be­reits eine Reihe von Do­ku­men­tar­fil­men zum Thema gab, aber diese waren alle mehr oder we­ni­ger an­walt­schaft­lich.

Dann wuss­ten Sie be­reits da­mals, dass Sie einen Film ma­chen woll­ten, der das nicht sein woll­te?

Vital: Nein. Aber ge­ne­rell finde ich es in­ter­es­san­ter, wenn bei einem Do­ku­men­tar­film nicht schon in den ers­ten Mi­nu­ten die Mei­nung oder der po­li­ti­sche Stand­punkt des Re­gis­seurs durch­schim­mert. Ich gehe vom mün­di­gen Zu­schau­er aus, der sich sei­ne­Mei­nung sel­ber bil­den kann – und nicht von einem, den man bei der Hand neh­men und füh­ren muss.

Diese Hal­tung durch­zieht «Life in Pa­ra­di­se» vom An­fang bis zum Ende. Die Dorf­be­woh­ner, die Asyl­be­wer­ber, die Mit­ar­bei­ter und die Leute des Ver­eins Mit­ein­an­der Valz­ei­na sind glei­cher­mas­sen prä­sent, nie hat man den Ein­druck, eine Seite würde be­vor­zugt.Wie haben Sie das ge­schafft, zu allen die­sen Zu­gang zu fin­den?

Vital: Das war nur mög­lich dank lan­ger Re­cher­che und in­ten­si­ver Vor­ge­sprä­che. Ich habe wäh­rend fast zwei Jah­ren den Kon­takt zu allen Be­tei­lig­ten auf­ge­baut. Erst dann be­gan­nen wir zu dre­hen. Ich woll­te unter gar kei­nen Um­stän­den einen jener Do­ku­men­tar­fil­me ma­chen, bei dem man sich schnell ir­gend­wo­hin be­gibt, sein Ding ab­dreht und dann wie­der ab­reist. Dabei war es am An­fang alles an­de­re als ein­fach. Zwar waren die Dorf­be­woh­ner von Be­ginn weg am ko­ope­ra­tivs­ten, denn sie dach­ten, ich würde einen Film dre­hen, der zeigt, wie sie vom Bund und von der Kan­tons­re­gie­rung über­gan­gen wor­den waren. Das wäre so eine Art Ge­schich­te von David gegen Go­li­ath ge­wor­den: das klei­ne Valz­ei­na gegen die Mäch­ti­gen aus Bern und Chur. Doch das in­ter­es­sier­te mich nicht be­son­ders.

Man ge­winnt den Ein­druck, dass Ihr Film eine Lang­zeit­be­ob­ach­tung ist.​Wie lange haben Sie ge­dreht?

Vital: Es freut mich, dass Sie das so sehen – ist er ei­gent­lich auch, ob­wohl wir in Wirk­lich­keit mit den Leu­ten in Valz­ei­na nur ge­ra­de wäh­rend fünf Wo­chen ge­dreht haben. Ich bin über die zwei Jahre Re­cher­che mit mei­nem Ka­me­ra­mann immer wie­der hin­ge­fah­ren, um vor allem Na­tur­auf­nah­men zu ver­schie­de­nen Jah­res­zei­ten zu dre­hen, um so die­sen Ein­druck zu er­we­cken, wir seien über einen lan­gen Zeit­raum dort ge­we­sen.

Warum diese Her­an­ge­hens­wei­se?

Vital: Das ge­schah um­stän­de­hal­ber, denn «Life in Pa­ra­di­se» ist ein total un­ter­fi­nan­zier­ter Film. Weder der Bund noch das Schwei­zer Fern­se­hen noch die Zür­cher Film­stif­tung un­ter­stütz­te uns. Es hiess, ich sei zu un­be­kannt, aus­ser­dem kämen im Film zu viele Per­so­nen zu Wort – und dann wurde auch noch be­män­gelt, es gebe zu wenig «Ac­tion». Diese Be­grün­dung fand ich schon fast wit­zig, ich frag­te die Ver­ant­wort­li­chen dann, ob im Film je­mand eine Schwei­zer Fahne hätte ver­bren­nen müs­sen…

Trotz die­ser Schwie­rig­kei­ten konn­ten Sie als Ka­me­ra­mann Piotr Jaxa ge­win­nen, einen Bild­künst­ler, der schon mit dem pol­ni­schen Re­gis­seur Krzy­s­tof Kies­low­ski zu­sam­men­ge­ar­bei­tet hat.​Wie haben Sie das ge­schafft?

Vital: Ich hatte das Glück, dass ich ihn schon wäh­rend mei­ner Aus­bil­dung an der Film­aka­de­mie ken­nen­ge­lernt hatte. Einer mei­ner Do­zen­ten, der Schwei­zer Re­gis­seur Ste­fan Ja­e­ger, hatte für sei­nen Film «Hello Good­bye» mit Piotr Jaxa ge­ar­bei­tet, und ich war bei jenem Film als Cut­ter tätig. So war eine Ver­trau­ens­ba­sis zwi­schen uns ent­stan­den, und als ich Piotr dann frag­te, sagte er so­fort zu. Für mich ist er der beste Ka­me­ra­mann, den es in der Schweiz gibt.

Rei­sen der Hoff­nung – Die Aus­sicht auf ein bes­se­res Leben steht im Zen­trum der 49. So­lo­thur­ner Film­ta­ge

Das Thema Mi­gra­ti­on ist an den dies­jäh­ri­gen So­lo­thur­ner Film­ta­gen stark ver­tre­ten. Be­leuch­tet wird es über­aus dif­fe­ren­ziert.
von Urs Ar­nold

Vor zwei Jah­ren blick­ten die So­lo­thur­ner Film­ta­ge tief hin­ein in die urige, tra­di­tio­nel­le Schweiz. Auf der Lein­wand jo­del­ten ker­ni­ge Män­ner, Kühe wei­de­ten auf sat­ten Wie­sen, Bräu­che wur­den ze­le­briert. Eine Eid­ge­nos­sen­schaft unter der Kä­se­glo­cke.

Mit der be­schau­li­chen In­nen­an­sicht ist es an den kom­men­den So­lo­thur­ner Film­ta­gen end­gül­tig vor­bei. Denn das do­mi­nan­te Thema der 49. Edi­ti­on, das der Mi­gra­ti­on, ist hier­zu­lan­de wie welt­weit eines der gros­sen un­se­rer Zeit. «Jede und jeder hat eine An­sicht dazu», gibt sich die Film­ta­ge-Di­rek­to­rin Se­rai­na Roh­rer über­zeugt, «doch ist das Thema ein so hoch­kom­ple­xes, dass die Leute in einem stän­di­gen Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess ste­hen.» Die­ser ist hoch­ak­tu­ell, da im Fe­bru­ar be­kannt­lich über die SVP-Zu­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve ab­ge­stimmt wird. Ist die Ku­mu­la­ti­on viel­leicht also gar kein Zu­fall? «Doch, denn Fil­me­ma­chen un­ter­liegt einem lan­gen Pro­zess. Viel­mehr zeigt die Kon­zen­tra­ti­on aber auf, dass das Thema die Ge­sell­schaft und somit auch die Film­schaf­fen­den stark be­schäf­tigt.»

Das In­ter­es­se ist für­wahr aus­ge­prägt: Mehr als ein Dut­zend Filme set­zen sich im Kern, oder zu­min­dest näher, mit dem Phä­no­men Mi­gra­ti­on aus­ein­an­der. Die Werke be­leuch­ten es dif­fe­ren­ziert, be­sit­zen aber eine Ge­mein­sam­keit: Mi­gra­ti­on ist über acht Fes­ti­val­ta­ge hin­weg eine Ein­bahn­stras­se in Rich­tung Schweiz, oder zu­min­dest in Rich­tung Eu­ro­pa.

Öf­ters enden die Fahr­ten dar­auf in der Sack­gas­se. In Men Lar­eid­as Drama «Vik­to­ria – A Tale of Grace and Greed» und Petra Vol­pes Epi­so­den­film «Traum­land» kom­men junge Frau­en aus dem Osten nach Zü­rich, um den schma­len Grat des Sihl­quai-Strichs zu be­schrei­ten. Die Hoff­nung auf ein bes­se­res Leben – die Trieb­fe­der der Mi­gra­ti­on schlecht­hin – brö­ckelt je­doch mit jeder neuen De­mü­ti­gung. Die Frau­en eig­nen sich Härte an, um wenn nicht den Kör­per, dann we­nigs­tens noch das ver­blie­be­ne Stück Würde zu schüt­zen.

Dass die­ser Kraft­akt ir­gend­wann den ro­bus­tes­ten Men­schen aus­zehrt, zeigt der be­klem­men­de Do­ku­men­tar­film «L’esca­le» von Kaveh Bakhtia­ri. Darin be­sucht der Schwei­zer Re­gis­seur sei­nen ira­ni­schen Cou­sin, der zu­sam­men mit wei­te­ren il­le­ga­len Mi­gran­ten in Athen weilt. Von dort aus soll es nach Ita­li­en, Nor­we­gen, Deutsch­land gehen. Auf ge­fälsch­te Pa­pie­re und du­bio­se Schlep­per an­ge­wie­sen, haben die Män­ner ihre Tage vor­nehm­lich in einer klan­des­ti­nen Sou­ter­rain-Woh­nung zu ver­brin­gen. Man­che sie­chen Jahre in die­sem Va­ku­um vor sich hin. «Mein Film soll Zu­gang zu die­sen Men­schen ver­schaf­fen, die un­sicht­bar für die Ge­sell­schaft sind», sagt Bakhtia­ri, der ein Jahr lang mit den Mi­gran­ten zu­sam­men­leb­te. Der einer und doch kei­ner von ihnen war.

An­de­re wie­der­um sind ge­fan­gen unter der Kä­se­glo­cke. Der Dok­film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» führt uns vor Augen, wie den Un­er­wünsch­ten im Grau­bünd­ner Berg­dorf Valz­ei­na das Pa­ra­dies vor Augen ge­führt wird – bis sie geis­tig er­blin­den. Roman Vi­tals Film schil­dert sich spe­zi­fisch, und doch uni­ver­sell: Das Milch-und-Ho­nig-Land ist nahe, und doch un­er­reich­bar, die stump­fe Rea­li­tät bricht die Il­lu­sio­nen auf, die Xe­no­pho­bie droht den Hu­ma­nis­mus zu ver­schlu­cken.

Vier von sechs für den «Prix de So­leu­re» no­mi­nier­ten Fil­men wei­sen einen aus­ge­präg­ten «Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund» auf. «Al­fon­si­na», der Dok­film über die als Kind nach Ar­gen­ti­ni­en aus­ge­wan­der­te Tes­si­ne­rin Al­fon­si­na Stor­ni, nicht mit­ge­rech­net. «Über diese Ge­wich­tung haben wir lange dis­ku­tiert», gibt Roh­rer zu. «Wir kamen zum Schluss, dass die the­ma­ti­sche Ten­denz die­ser Film­ta­ge auch beim ‹Prix de So­leu­re› ab­ge­bil­det wer­den soll­te.»

Ge­wän­ne «Akte Grü­nin­ger» den Ju­ry­preis, würde ein gros­ser Akt der Mensch­lich­keit aus­ge­zeich­net. Oh­ne­hin er­zäh­len nicht we­ni­ge Filme auch Ge­schich­ten von lei­sem Hel­den­tum. Etwa «Mon père, la révo­lu­ti­on et moi», in dem die Re­gis­seu­rin Ufuk Emi­rog­lu ent­ge­gen allen Ver­let­zun­gen nicht mit dem Vater, ihrem eins­ti­gen Idol, bricht. Der Leh­rer Chris­ti­an Zingg ent­puppt sich als Held des täg­li­chen Le­bens: In «Neu­land» weist er mit Chuz­pe und En­ga­ge­ment aus­län­di­schen Ju­gend­li­chen den Weg ins Be­rufs­le­ben. Re­gis­seu­rin Anna Thom­men be­glei­te­te seine Klas­se in Basel zwei Jahre lang, «weil es mich fas­zi­nier­te, wie die Welt in die­ser zu­sam­men­kam, und weil ich sehen woll­te, wie diese Men­schen in der Schweiz leben.»

Dass sich das hel­ve­ti­sche Volk einst ach­tens­wert ins Asyl­we­sen ein­misch­te, davon zeugt «La bar­que n’est pas plei­ne» von Da­ni­el Wyss. Als vor 40 Jah­ren Au­gus­to Pi­no­chet in Chile blu­tig die Macht über­nahm, setz­te es den Bun­des­rat unter Druck, linke Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men. An­statt 200 ge­währ­te die Schweiz schluss­end­lich 2000 Men­schen Asyl. Ei­ni­ge davon sind heute sel­ber Eid­ge­nos­sen.

Schwei­zer Filme wie Ster­ne am Him­mel

Die­sen Herbst jagt ein Schwei­zer Film den an­de­ren. Am Wo­chen­en­de sind in der Re­gi­on «Karma Shadub» und «Life in Pa­ra­di­se» zu sehen.
von Su­san­na Pe­trin

Für die Schwei­zer Ver­lei­her und Ki­no­be­trei­ber ist die Si­tua­ti­on nicht ein­fach. Fast jede Woche läuft die­sen Herbst ein neuer Schwei­zer Film an, fast jeder ein Do­ku­men­tar­film – wohl auch, weil diese güns­ti­ger her­zu­stel­len sind. Na­tür­lich un­ter­schei­den diese Schwei­zer Filme sich the­ma­tisch. Trotz­dem ist es nicht leicht, für jeden ge­nü­gend Pu­bli­kum zu fin­den. Um zu­sätz­li­che An­rei­ze für den Ki­no­be­such zu schaf­fen, wer­den Vor­füh­run­gen immer häu­fi­ger kom­bi­niert mit einem Ge­spräch mit am Film Be­tei­lig­ten. Da geht es Re­gis­seu­ren heute nicht an­ders als Schrift­stel­lern oder Mu­si­kern: Kaum ist das Werk fer­tig, be­ginnt die Pro­mo­ti­ons-Tour­nee. Das hat Vor­tei­le. Das Pu­bli­kum be­kommt immer öfter die Chan­ce, Re­gis­seu­re per­sön­lich zu er­le­ben, ihnen Fra­gen zu stel­len.

Haupt­preis in Nyon ge­won­nen

Mor­gen um 11 Uhr zum Bei­spiel bie­tet sich im Lies­ta­ler Kino Sput­nik die Ge­le­gen­heit, den in Basel le­ben­den Re­gis­seur Ramòn Giger sowie Co-Re­gis­seur Jan Gas­s­mann ken­nen zu ler­nen. Deren Film «Karma Shadub» (ti­be­tisch: Tan­zen­der Stern) sorgt für kon­tro­ver­se Dis­kus­sio­nen. Den einen ist der Kon­flikt zwi­schen dem Re­gis­seur und sei­nem be­rühm­ten Vater, Gei­ger Paul Giger, zu pri­vat ge­ra­ten. Vom ers­ten Mo­ment an klagt der Sohn den Vater an – und der Vater win­det sich. Das ist auch für die Zu­schau­er quä­lend. An­stren­gend sind auch die De­bat­ten dar­über, ob der Film, den wir ge­ra­de sehen, über­haupt Sinn macht. Die an­de­ren sind fas­zi­niert. Allen voran die Jury des in­ter­na­tio­na­len Fes­ti­vals Vi­si­ons du Réel in Nyon: Sie hat «Karma Shadub» heuer mit dem Haupt­preis aus­ge­zeich­net.

Asyl­we­sen der Schweiz

Eben­falls als Sonn­tags­ma­ti­nee läuft im Bas­ler Kult­ki­no der Do­ku­men­tar­film «Life in Pa­ra­di­se» des Bünd­ners Roman Vital. Am Bei­spiel des Aus­rei­se­zen­trums «Flüe­li» in Valz­ei­na will der Re­gis­seur zei­gen, wie die hie­si­ge Asyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert. Er zeigt alle Sei­ten: Die skep­ti­schen Dorf­be­woh­ner, die dis­tan­zier­ten Be­treu­er, die per­spek­tiv­lo­sen Asyl­su­chen­den sowie eine Grup­pe, die sich für Letz­te­re ein­setzt. Fast alle Cha­rak­te­re, vor allem die Dorf­be­woh­ner, wir­ken – be­ab­sich­tigt oder nicht – wie Ka­ri­ka­tu­ren. Vital will aus­ge­wo­gen sein, «eine ten­den­ziö­se Hal­tung» ver­mei­den, wie er sagt. Doch nun ver­misst man als Zu­schau­er eine Hal­tung und Nähe, we­nigs­tens zu den Asyl­be­woh­nern.

Valz­ei­na – «Life in Pa­ra­di­se»

von Do­mi­nik Gross

Seit 2007 be­treibt der Kan­ton Grau­bün­den im 140-See­len-Dorf Valz­ei­na im Prät­ti­gau ein Asyl­aus­rei­se­zen­trum. Ganz oben am Hang leben dort ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­be­rIn­nen in einem Va­ku­um zwi­schen ver­wei­ger­ter Auf­nah­me und dro­hen­der Aus­schaf­fung im alten Fe­ri­en­heim «Flüe­li». Die WOZ hat in den letz­ten Jah­ren immer wie­der über Valz­ei­na be­rich­tet, über die So­li­da­ri­täts­be­we­gung im Dorf und die Skru­pel­lo­sig­keit der Bünd­ner Be­hör­den.

Nun hat der Fil­me­ma­cher Roman Vital aus Arosa einen Do­ku­men­tar­film über Valz­ei­na und sein Flücht­lings­heim ge­dreht. «Life in Pa­ra­di­se» heisst er und stellt tat­säch­lich pa­ra­die­sisch an­mu­ten­de Land­schafts­bil­der ein­dring­li­chen Ge­sprä­chen mit Ein­hei­mi­schen, Be­hör­den und Asyl­su­chen­den ge­gen­über. Vital zeigt die Wut, die Trau­er und die Rat­lo­sig­keit in der So­li­da­ri­täts­grup­pe Mit­ein­an­der Valz­ei­na, als eine Flücht­lings­fa­mi­lie ohne Vor­an­kün­di­gung im «Flüe­li» ab­ge­holt und in ein Aus­schaf­fungs­ge­fäng­nis ge­steckt wird. Er redet mit den Dorf­be­woh­ne­rIn­nen über die prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen der Asyl­po­li­tik vor der ei­ge­nen Haus­tür, schaut dem Zen­trums­lei­ter über die Schul­ter, wenn er einem «Flüe­li»-Be­woh­ner die Haus­re­geln dar­legt, und hört den Asyl­su­chen­den zu, wenn sie den Staat ana­ly­sie­ren, der nicht ihr Gast­land sein will. Auf­fäl­lig dabei: Mit den Ein­hei­mi­schen redet Vital di­rekt, die Frem­den be­ob­ach­tet er beim Mit­ein­an­der-Spre­chen.

Eu­ro­pa tut sich schwer mit den Zu­wan­de­rern

Der Dok­film «Life in Pa­ra­di­se» des Schwei­zer Fil­me­ma­chers Roman Vital zeigt, wie eine Bünd­ner Ge­mein­de mit den Asyl­be­wer­bern eines Aus­rei­se­zen­trums um­geht. Gleich­zei­tig ver­sucht ein um­strit­te­nes deut­sches Sen­de­for­mat für das Thema zu sen­si­bi­li­sie­ren.
von Igor Basic, Mar­kus Ti­scher
42 Mil­lio­nen Men­schen sind welt­weit auf der Flucht. Viele zieht es nach Eu­ro­pa. Unter schwie­rigs­ten Be­din­gun­gen. Eu­ro­pa wie­der­um ist zu­neh­mend über­for­dert mit den Men­schen, die sich hier eine bes­se­re Zu­kunft ver­spre­chen. Aus­druck davon ist auch das neue Asyl­ge­setz in der Schweiz und die Schaf­fung so ge­nann­ter «sen­si­bler Zonen». Die Ängs­te der Be­völ­ke­rung wer­den ernst ge­nom­men, Kon­tak­te zu den Mi­gran­ten zu­neh­mend ver­mie­den. Be­geg­nun­gen wären aber eine Vor­aus­set­zung dafür, dass aus Vor­ur­tei­len Ur­tei­le wür­den.
Der Schwei­zer Fil­me­ma­cher Roman Vital un­ter­sucht in sei­nem Do­ku­men­tar­film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» den Um­gang der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung mit Asyl­be­wer­bern. Durch per­sön­li­che Er­leb­nis­se mit den Mi­gran­ten mo­ti­viert, be­fass­te er sich drei Jahre lang mit dem klei­nen Bünd­ner Berg­dorf Valz­ei­na, an des­sen Rande ein Not­hil­fe­zen­trum für ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber steht.

Eine ge­spal­te­ne Dorf­ge­mein­de

In dem Film ver­sucht er, alle Stim­men des Dor­fes ein­zu­fan­gen und Geg­nern sowie den Be­für­wor­tern ge­recht zu wer­den. Die eu­ro­pa­wei­te Spal­tung der Be­völ­ke­rung in der Wahr­neh­mung von Asyl­be­wer­bern wird am Bei­spiel der klei­nen Schwei­zer Dorf­ge­mein­de deut­lich: Wäh­rend ein Gross­teil der Dorf­be­woh­ner das Not­hil­fe­zen­trum ab­lehnt, grün­den an­de­re den Ver­ein «Mit­ein­an­der» und ver­brin­gen Zeit mit den ab­ge­wie­se­nen Asyl­be­wer­bern.
Roman Vital zeigt, dass es un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen davon gibt, wie man Asyl­be­wer­bern be­geg­nen soll­te. Die einen ste­hen ein für Be­geg­nung und Un­ter­stüt­zung, die an­de­ren hin­ter­fra­gen jeden Kon­takt, da die meis­ten Asyl­be­wer­ber nur tem­po­rär da sind und je­der­zeit wie­der weg sein könn­ten.

Kein Aus­weg, keine Per­spek­ti­ve

Be­geg­nun­gen bauen Ängs­te ab und schaf­fen Mit­ge­fühl. Genau dies ver­sucht der Fil­me­ma­cher mit die­ser lei­sen Do­ku­men­ta­ti­on zu ver­mit­teln. Vor allem aber wird die Aus­weg­lo­sig­keit der be­trof­fe­nen Asyl­be­wer­ber spür­bar, wie sie ohne jeg­li­che Per­spek­ti­ve in die­sem Aus­rei­se­zen­trum leben.
Wie offen ist die teils ab­ge­stumpf­te Öf­fent­lich­keit über­haupt, sich dem Schick­sal von Flücht­lin­gen zu wid­men? Do­ku­men­tar­fil­me sind von hoher Qua­li­tät, er­rei­chen je­doch oft das immer glei­che, oh­ne­hin sen­si­bi­li­sier­te Pu­bli­kum.

Fern­seh­show schickt Eu­ro­pä­er auf die Reise

Die­ses Pro­blem haben die Ma­cher der neuen Rea­li­ty-Fern­seh­show «Auf der Flucht – Das Ex­pe­ri­ment» er­kannt. In «Dschun­gel­camp-Ma­nier» schickt das ZDF des­halb sechs Kan­di­da­ten von Deutsch­land nach Eri­trea und in den Irak. Sie sol­len die Reise der Flücht­lin­ge in die an­de­re Rich­tung ma­chen, um so für sich und den Zu­schau­er nach­voll­zie­hen zu kön­nen, was Flücht­lin­ge auf dem Weg nach Eu­ro­pa durch­ma­chen.
Un­ter­wegs stos­sen Kan­di­da­ten auf Schlaf­plät­ze von ob­dach­lo­sen Flücht­lin­gen in Rom oder auf Flücht­lings­la­ger an der grie­chisch-tür­ki­schen Gren­ze. Durch die Be­geg­nun­gen mit den Flücht­lin­gen ma­chen ab­sicht­lich wild zu­sam­men­ge­wür­fel­te Kan­di­da­ten einen Wan­del in ihrer Hal­tung ge­gen­über Asyl­be­wer­bern durch. Auch die in­ne­ren Kon­flik­te der Grup­pe wer­den ge­zeigt. Eine dra­ma­ti­sche Kom­men­ta­to­ren­stim­me wie etwa in «Deutsch­land sucht den Su­per­star» un­ter­mau­ert den Look einer Pri­vat­sen­der-Rea­li­ty-Show.

Ziel: neue Bli­cke auf Flücht­lin­ge er­öff­nen

In den Feuille­tons wird Kri­tik laut. «Hier wird reis­se­ri­scher Voy­eu­ris­mus auf dem Rü­cken der Ärms­ten der Armen be­trie­ben», mo­niert der Fern­seh­kri­ti­ker Hol­ger Krey­mei­er. Ähn­lich der lang­jäh­ri­ge Ko­or­di­na­tor des Deut­schen Men­schen­rechts-Film­prei­ses, Claus Laabs: «Das ist nicht im An­satz so, wie es Flücht­lin­gen in ihrer Ver­zweif­lung und To­des­angst er­geht.» Die vier­tei­li­ge Serie blei­be «bei der pla­ka­ti­ven Be­trof­fen­heit ste­hen».
Den In­iti­an­ten der Sen­dung, wie dem Fil­me­ma­cher Da­ni­el Ger­lach, geht es darum, mit pro­vo­ka­ti­ven Mit­teln einen an­de­ren Blick auf Flücht­lin­ge zu er­rei­chen. Der Nor­mal­bür­ger soll sie für ein­mal nicht nur als amor­phe Flut be­trach­ten, die in So­zi­al­sys­te­me ein­wan­dert, son­dern als Men­schen, die aus ihrem Leben etwas ma­chen wol­len. Als Men­schen die ge­stal­tungs­fä­hig und -wil­lig sind.

 

Veta el pa­ra­dis ni ils il­le­gals ella vischi­non­za

Giev­gia pro­xi­ma muos­sa il Ci­ne­ma Sil Plaz a Glion il film do­cu­men­tar «Life in Pa­ra­di­se» dil re­schis­sur gri­schun Roman Vital. Il film trac­ta la con­vi­ven­za d’im­mi­grants il­le­gals cun la po­pu­la­ziun in­di­gena el vitg mun­ta­gnard da Valz­ei­na.

Il re­schis­sur Roman Vital dat plaid e fatg da­vart siu film «Life in Pa­ra­di­se»

La dis­cre­pan­za po strusch esser pli gronda, dad ina vart ils im­mi­grants il­le­gals alla tscher­ca dad ina me­glie­ra basa da viver, dall’autra vart ina po­pu­la­ziun dad in pign vitg mun­ta­gnard gri­schun. Ils im­mi­grants con­tons­chan lur tiara dalla cu­ca­gna, il pa­ra­dis Sviz­ra e ston tut­ti­na tur­nar. Ent­gins da quels im­mi­grants il­le­gals set­schen­tan a Valz­ei­na, in vitg da bie­bein 130 ha­b­i­tonts en Pur­ten­za. En in’an­te­ri­ura casa d’af­fons ha il can­tun Gri­schun end­riz­zau in cen­ter per re­quirents d’asil che ston ban­du­nar la Sviz­ra. Il cen­ter ei ve­g­ni­us instrad­aus en­c­un­ter la ve­glia dalla po­pu­la­ziun in­di­gena. E gest quel­la con­fr­un­ta­ziun e con­vi­ven­za den­ter ils ha­b­i­tonts dil pa­ra­dis e quels alla tscher­ca dil pa­ra­dis ha il re­schis­sur gri­schun te­ma­ti­sau en siu film do­cu­men­tar «Life in Pa­ra­di­se» cun il sut­te­tel «Il­le­gals en nossa vischi­non­za». Quei film porta in­ves­ta ell’exe­cu­ziun dalla po­li­ti­ca d’asil en Sviz­ra. Co la po­pu­la­ziun se­cum­por­ta cun ils im­mi­grants il­le­gals e co ils im­mi­grants che ston ban­du­nar la Sviz­ra vivan a moda iso­la­da en nossa pa­tria. Il re­schis­sur gri­schun Roman Vital ha scaf­fiu in’ovra do­cu­men­ta­ra da­vart il mint­ga­gi senza va­l­etar quel­la con­vi­ven­za dad jes­ter ed in­di­gen. Il re­schis­sur ei de­ri­vonts da Sent, car­schi­us si ad Arosa e viva dapi di­vers onns a Tu­ritg. El ha stu­de­gi­au all’Aca­de­mia da film da Ba­den-Würt­ten­berg e ter­min­au quel­la sco­la­ziun cun in di­plom sco fil­ma­der do­cu­men­tar e tagl/mon­ta­scha. El ha gia ela­vurau di­ver­sas ovras sco autur e re­schis­sur e cont­ri­buiu sco mon­ta­der e ta­gli­a­der ad au­tras ovras ci­ne­a­stas. Giev­gia pro­xi­ma ei Roman Vital pres­ents el Ci­ne­ma Sil Plaz a Glion e dat plaid e fatg da­vart sia ovra do­cu­men­ta­ra «Life in Pa­ra­di­se».

La con­vi­ven­za den­ter im­mi­grants e la po­pu­la­ziun in­di­gena ei tema dil film do­cu­men­tar «Life in Pa­ra­di­se».

Valz­ei­na – Life in Pa­ra­di­se

Im idyl­li­schen Bünd­ner Berg­dorf Valz­ei­na ist jeder Vier­te ein il­le­ga­ler Aus­län­der. Das ehe­ma­li­ge Fe­ri­en­heim «Flüe­li» be­her­bergt ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber, die ohne Rech­te, ohne Geld und Ar­beit auf ihre Ab­schie­bung war­ten. Roman Vi­tals Do­ku­men­tar­film zeigt, wie die Schwei­zer Asyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert und was Il­le­ga­le und Ein­hei­mi­sche davon hal­ten.
von Die­ter Lang­hart

«Ich sehne mich nach einer kla­ren Hal­tung, die nicht nur in der Theo­rie be­ste­hen kann, son­dern auch im rea­len Leben», sagt der junge Aro­ser Fil­me­ma­cher, der 1998 erst­mals mit dem Kurz­film «Bi­ki­ni Atoll» auf sich auf­merk­sam ge­macht hat. Die «klare Hal­tung» be­deu­tet nicht, dass sich Roman Vital auf die eine oder die an­de­re Seite stellt, im Ge­gen­teil. Er will die Grau­tö­ne auf­zei­gen, die in den auf­ge­heiz­ten Asyl­de­bat­ten ver­lo­ren­ge­gan­gen sind – «Fa­cet­ten, die der Zu­schau­er kaum kennt», hat er vor der Film­pre­mie­re in Chur in einem In­ter­view mit der «Süd­ost­schweiz» ge­sagt. «Die Rea­li­tät ist zu kom­pli­ziert für vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen.» Er wolle «als ex­trem stil­ler Be­ob­ach­ter den mün­di­gen Zu­schau­er sel­ber ent­schei­den las­sen», damit «Po­si­tio­nen über­dacht, vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen über­prüft wer­den».

«Valz­ei­na – Life in Pa­ra­di­se» er­zäh­le nicht eine ein­fa­che Ge­schich­te, der Film sei «für alle ge­dacht, die in der Schweiz Ver­ant­wor­tung über­neh­men wol­len. Aber nicht nur.» Ein ni­ge­ria­ni­scher Pfar­rer aus dem Un­ter­land wolle ihn in sei­ner Hei­mat zei­gen, «um den Leu­ten zu zei­gen, wie das Leben im ver­meint­li­chen Pa­ra­dies wirk­lich ist». In Roman Vi­tals 80-mi­nü­ti­gem Do­ku­men­tar­film kom­men alle glei­cher­mas­sen zu Wort: Ein­hei­mi­sche, Be­treu­er und Asyl­su­chen­de. «We can see the pro­mi­sed land but we can­not enter», sagt der ab­ge­wie­se­ne Kel­vin; «ich brau­che kein Gold, wenn mein Nach­bar nicht ein­mal ein Stück Brot be­sitzt», sagt Da­nie­la Stir­ni­mann-Gemsch, die Grün­de­rin des Ver­eins Mit­ein­an­der Valz­ei­na.

«Ich ver­su­che, den Zu­schau­er sel­ber ent­schei­den zu las­sen»

Für den Dok­film «Valz­ei­na – Life In Pa­ra­di­se» hat der Aro­ser Roman Vital das Aus­rei­se zen­trum Flüe­li be­sucht. Dabei sei es ihm nicht darum ge­gan­gen, Ant­wor­ten zu lie­fern, son­dern zur Re­fle­xi­on an­zu­re­gen. Heute ist in Chur Pre­mie­re.
von Gi­on-Ma­thi­as-Dur­band

Herr Vital, für Ihren Do­ku­men­tar­film «Valz­ei­na – Life In Pa­ra­di­se» haben Sie sich über einen Zeit­raum von zwei Jah­ren mit dem Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li in Valz­ei­na be­schäf­tigt. Was er­war­tet den Zu­schau­er?

Roman Vital: Im Film geht es darum auf­zu­zei­gen, wie wir in der Schweiz als Pri­vi­le­gier­te der west­li­chen Welt mit Asyl­su­chen­den um­ge­hen.

Für eine Do­ku­men­ta­ti­on über ein Zen­trum für ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber in einer 140-See­len-Ge­mein­de bie­ten sich un­ter­schied­li­che Per­spek­ti­ven an. Für wel­che haben Sie sich ent­schie­den?

Ich habe mich be­wusst für keine Per­spek­ti­ve ent­schie­den. Man könn­te sagen, dass der Film uns Schwei­zer mit un­se­rer ei­ge­nen Asyl­po­li­tik kon­fron­tiert. Aber nicht aus einer be­stimm­ten Per­spek­ti­ve. Ich ver­su­che eher, als ex­trem stil­ler Be­ob­ach­ter den mün­di­gen Zu­schau­er sel­ber ent­schei­den zu las­sen. Es ist auch sehr span­nend, sich in die Si­tua­ti­on der je­wei­li­gen Lager zu ver­set­zen und deren Per­spek­ti­ve zu ver­mit­teln. Damit soll auf­ge­zeigt wer­den: Die Rea­li­tät ist zu kom­pli­ziert für vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen.

 

… auch das ein An­lie­gen des Films?

Es nervt mich, dass die Mi­gra­ti­ons dis­kus­si­on sehr po­la­ri­sie­rend ge­führt wird. Alles in Schwarz-Weiss. Für mich war klar: Wenn ich das Thema an­ge­he und die Chan­ce habe, dass sich alle Sei­ten den Film an­schau­en, darf ich mir keine ten­den­ziö­se Hal­tung er­lau­ben. Ich habe auch schon einen Be­richt über Valz­ei­na ge­le­sen, bei wel­chen be­reits nach drei Zei­len klar war, dass der Autor aus der lin­ken Ecke stammt. Bür­ger­lich ein­ge­stell­te Leser kann man so nicht er­rei­chen.

Was soll der Film ver­mit­teln?

Was der Film sagen will, ist: Es gibt keine ein­fa­chen Ant­wor­ten, kein Schwarz oder Weiss. Es ging mir darum, Grau­tö­ne in die Dis­kus­si­on ein­zu­brin­gen. Es geht um Men­schen, da kann man nicht so tun, als lies­sen sich die Pro­ble­me ma­the­ma­tisch lösen.

…ma­the­ma­tisch lösen?

So­lan­ge der Wohl­stand hier so viel grös­ser ist als in den Her­kunfts­län­dern der Asyl­su­chen­den, wer­den die Men­schen in die Schweiz kom­men – da kön­nen wir noch so hohe Zäune er­rich­ten. Ein­fach zu den­ken, mit einer Ge­set­zes­ver­schär­fung hier und dort das Pro­blem lösen zu kön­nen, ist ein kom­plett fal­scher An­satz.

Wie ist es Ihnen ge­lun­gen, das Ver­trau­en aller Be­tei­lig­ten zu ge­win­nen?

Das war nicht immer ein­fach. Die Ab­ge­wie­se­nen dach­ten erst, ich ar­bei­te für den Kan­ton, und in der Dorf­be­völ­ke­rung hielt man mich zu Be­ginn für eine rote Socke. Im Ge­spräch konn­te ich bei­den La­gern ver­ständ­lich ma­chen, dass es mir darum geht, beide Sei­ten zu zei­gen und nicht zu wer­ten.

Gab es beim Dreh sons­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen oder auch Über­ra­schun­gen?

Da gab es eine sy­ri­sche Fa­mi­lie im Zen­trum, zu der wir be­reits Kon­takt auf­ge­baut hat­ten und die sich für den Film zur Ver­fü­gung stell­te. Zwei Tage bevor wir mit dem Ka­me­ra­team in Valz­ei­na dre­hen woll­ten, wurde die Fa­mi­lie samt Kin­dern aus­ge­schafft. Über­rascht hat mich in ge­wis­sen Mo­men­ten die gros­se Be­trof­fen­heit im Dorf, wenn ein Be­woh­ner des Aus­rei­se­zen­trums aus­ge­schafft wurde. Zwar ist die Be­völ­ke­rung an­ge­hal­ten, keine Be­zie­hung zu den Men­schen im Zen­trum auf­zu­bau­en. Aber ab einer ge­wis­sen Nähe lässt sich das nicht ver­hin­dern.

 

Seit über fünf Jah­ren ist das Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li in Be­trieb. Ist das Thema noch ak­tu­ell?

Selbst wenn das Aus­rei­se­zen­trum in fünf Jah­ren nicht mehr ste­hen soll­te – das Thema ist zeit­los. So auch der Film. Schliess­lich fin­den sich heute oder mor­gen viele an­de­re Dör­fer in der­sel­ben Si­tua­ti­on wie­der.

Was soll, was kann der Film zur Dis­kus­si­on um Ein­wan­de­rung bei­tra­gen?

Ich wün­sche mir, dass sich alle Lager den Film an­schau­en und dabei einen bes­se­ren Bezug zur Rea­li­tät ge­win­nen, dass Links und Rechts sich zu­sam­men­set­zen und das Thema etwas ent­spann­ter an­ge­hen, als dies heute der Fall ist. Aber ich bin auch genug Rea­list, um ein­zu­se­hen, dass diese Vor­stel­lung eher uto­pisch ist. Aber man braucht Uto­pi­en, um zu über­le­ben. Wenn auch nur ein paar we­ni­ge sich den Film an­schau­en und das Thema aus einem neuen Blick­win­kel sehen, wäre das schon ein Er­folg.

An wen rich­tet sich der Film?

Der Film er­zählt nicht eine Ge­schich­te, bei der der Zu­schau­er an der Hand ge­nom­men wird und sich zu­rück­leh­nen kann. Ich hoffe im Ge­gen­teil, dass er viel mehr auf sich selbst zu­rück­ge­wor­fen wird und seine ei­ge­ne Mei­nung re­flek­tiert. Letzt­lich ist der Film für alle ge­dacht, die in der Schweiz Ver­ant­wor­tung über­neh­men wol­len. Aber nicht nur. Ein ni­ge­ria­ni­scher Pfar­rer aus dem Un­ter­land, der als Über­set­zer am Pro­jekt mit­ge­ar­bei­tet hat, ist vom Film be­geis­tert und will ihn auch in Ni­ge­ria auf­füh­ren, um den Leu­ten zu zei­gen, wie das Leben im ver­meint­li­chen Pa­ra­dies wirk­lich ist.

Ich sehe die Dinge auf jeden Fall dif­fe­ren­zier­ter als zuvor. Wo es um Men­schen geht, wird es sehr kom­pli­ziert. Denn jede Ge­schich­te ist für sich ein­zig­ar­tig. Da las­sen sich keine Ras­ter an­wen­den. Der Film zeigt Fa­cet­ten auf, die der Zu­schau­er nicht kennt. Viel­leicht kann der Film so dazu bei­tra­gen, dass Po­si­tio­nen über­dacht, vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen über­prüft wer­den. Wenn das ge­län­ge, wäre es super. Und das ist mit die­sem Film auch mög­lich. Man muss es aber auch wol­len.

In viver in cun l’auter e sper in l’auter

«LIFE IN PA­RA­DI­SE – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» è in film da Roman Vital. Igl è in film da 80 mi­nu­tas che mussa il mint­ga­di a Valz­ei­na, in pit­schen vit­get en il Par­tenz.

A Valz­ei­na sa chat­ta era il Flüe­li, in cen­ter da re­pa­tri­a­ment, nua che per­su­nas vivan che n’han betg sur­ve­gnì asil en Sviz­ra. Cun ses film ha Roman Vital vulì mus­sar oma­duas varts, sche­bain quel­la dals abitants dal Flüe­li, den­tant era la vita da mint­ga­di en il vitg da Valz­ei­na ed era las per­su­nas che la­vu­ran en il Flüe­li.

Il film da Roman Vital «Life in pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft»

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«Für ein­fa­che Ant­wor­ten ist die Rea­li­tät zu kom­pli­ziert»

Ohne zu wer­ten, gibt der Dok­film «Life in Pa­ra­di­se» des Aro­ser Fil­me­ma­chers Roman Vital Ein­blick in un­se­ren Um­gang mit Asyl­su­chen­den. Ges­tern fand im Kino Apol­lo die Pre­mie­re statt.

von Chris­ti­an Bux­ho­fer

Das Flüe­li im ab­ge­le­ge­nen Prät­ti­gau­er 140-See­len-Dorf Valz­ei­na war frü­her ein Fe­ri­en­heim für Kin­der, heute wird es gegen den Wil­len der Be­völ­ke­rung als Aus­rei­se­zen­trum für ab­ge­wie­se­ne Asyl­be­wer­ber ge­nutzt. Al­lein schon in die­ser Aus­gangs­la­ge fin­det der 38-jäh­ri­ge Re­gis­seur Roman Vital für sei­nen Do­ku­men­tar­film «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» einen span­nen­den An­satz: Aus dem Mi­kro­kos­mos eines Bünd­ner Berg­dorfs the­ma­ti­siert er ein glo­ba­les Thema des 21. Jahr­hun­derts – das Zu­sam­men­tref­fen der Pri­vi­le­gier­ten der west­li­chen Welt mit il­le­ga­len Ein­wan­de­rern. «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» zeigt, wie die Schwei­zer As­lyl­po­li­tik in der Pra­xis funk­tio­niert, wie Schwei­zer mit Asyl­su­chen­den in ihrer Nach­bar­schaft um­ge­hen, wie sich ihr Leben da­durch ver­än­dert und was es be­deu­tet, als Ab­ge­wie­se­ner iso­liert in un­se­rer Hei­mat zu leben.

 

Hin-und-her­ge­ris­sen-Sein

Roman Vital, dem mit sei­nem Debüt ein aus­ser­ge­wöhn­li­cher Bei­trag zur Schwei­zer Asyl­po­li­tik ge­lun­gen ist, stellt sich nicht auf die eine oder an­de­re Seite, son­dern zeigt in sei­nem Dok­film auch die vie­len Grau­tö­ne, die es gibt – un­ver­klärt und dif­fe­ren­ziert. Ohne zu wer­ten, schafft er einen in­ter­es­san­ten und si­cher auch au­then­ti­schen Ein­blick in die Pra­xis des Asyl­all­tags. Mit sei­nem Film, so Vital ge­gen­über dem «Bünd­ner Tag­blatt», wolle er auf­zei­gen, was es be­deu­te, «tag­täg­lich die­sem Hin- und-her­ge­ris­sen-Sein aus­ge­setzt zu sein und damit zu leben». Sein Ziel sei es ge­we­sen, zu einer «von dua­lis­ti­schen Sicht­wei­sen los­ge­lös­ten Dis­kus­si­on» an­zu­re­gen und auf­zu­zei­gen, dass die Rea­li­tät viel zu kom­pli­ziert sei für vor­ge­fer­tig­te Mei­nun­gen und dass es keine ein­fa­chen Ant­wor­ten gebe. Sich in die Si­tua­ti­on der je­wei­li­gen Men­schen zu ver­set­zen und deren Per­spek­ti­ve zu ver­mit­teln, sei sehr span­nend ge­we­sen.

 

Kopf­zer­bre­chen

Die Asyl- und Aus­län­der­the­ma­tik hatte den jun­gen Fil­me­ma­cher, der 1998 erst­mals mit einem Kurz­film («Bi­ki­ni Atoll») von sich reden mach­te, schon lange in­ter­es­siert. Dies wohl auch des­halb, weil er in sei­nem per­sön­li­chen Um­feld er­fah­ren muss­te, dass nicht alle Men­schen, die in der Schweiz leben wol­len, auch blei­ben dür­fen. Als Ju­gend­li­cher lern­te er einen kroa­ti­schen Ar­chi­tek­ten und Fa­mi­li­en­va­ter ken­nen, der in die Schweiz ge­flüch­tet war und in Arosa als Eis­meis­ter­ge­hil­fe ar­bei­te­te. Als die Schwei­zer Be­hör­den sein Asyl­ge­such in letz­ter In­stanz ab­lehn­ten, hätte er in­nert drei­er Mo­na­te «nach Hause» zu­rück­keh­ren müs­sen. Der Mann tauch­te unter und war ei­ni­ge Wo­chen spä­ter tot. Das Di­lem­ma, aus­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den nicht hel­fen zu kön­nen, weil er ja auch ein ge­set­zes­treu­er Bür­ger sein wolle, habe ihm auch in einem an­de­ren Fall Kopf­zer­bre­chen be­rei­tet: «Ich sehne mich nach einer kla­ren Hal­tung, die nicht nur in der Theo­rie be­ste­hen kann, son­dern auch im rea­len Leben.»

Prot­ago­nis­ten aus Valz­ei­na

Im Dok­film kom­men Ein­hei­mi­sche, Be­treu­er und Asyl­su­chen­de glei­cher­mas­sen zu Wort. «Ich brau­che kein Gold, wenn mein Nach­bar nicht mal ein Stück Brot be­sitzt», sagt bei­spiels­wei­se Da­nie­la Stir­ni­mann-Gemsch, die Grün­de­rin des Ver­eins «Mit­ein­an­der Valz­ei­na». Und Ernst Wüest, Lei­ter des Aus­rei­se­zen­trums «Flüe­li», fin­det es «hu­ma­ner, wenn man Ab­ge­wie­se­ne zwingt, das Land zu ver­las­sen, als dass man ihnen Hoff­nung macht, blei­ben zu kön­nen». Die Sicht der ab­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den bringt Kel­vin auf den Punkt: «We can see the pro­mi­sed land, but we can not enter.» Sie alle und ei­ni­ge wei­te­re Men­schen aus Valz­ei­na und aus dem Flüe­li sind die Prot­ago­nis­ten des 80-mi­nü­ti­gen Films, den Roman Vital zu­sam­men mit San­dro Zol­lin­ger und Clau­dia Wick mit brei­ter Un­ter­stüt­zung pro­du­ziert hat.

Asyl­be­wer­ber sor­gen im Dorf für Unmut

Der Do­ku­men­tar­film «Life in Pa­ra­di­se» be­leuch­tet die Asyl­pro­ble­ma­tik. Ein Thema, das in Uri nicht nur im Kino ak­tu­ell ist.

In Valz­ei­na, einem idyl­li­schen Bünd­ner Berg­dorf, steht das Aus­rei­se­zen­trum Flüe­li. Frü­her war es ein Fe­ri­en­heim für Kin­der, heute wird es gegen den Wil­len der Ein­hei­mi­schen von ab­ge­wie­se­nen Asyl­su­chen­den be­wohnt. Jeder Vier­te im Dorf ist nun ein il­le­ga­ler Aus­län­der. Der Bünd­ner Roman Vital stellt in sei­nem Do­ku­men­tar­film so­wohl das Leben der Dorf­be­woh­ner als auch der ab­ge­wie­se­nen Asyl­be­wer­ber dar. «Life in Pa­ra­di­se – Il­le­ga­le in der Nach­bar­schaft» do­ku­men­tiert, wie die Men­schen mit Asyl­su­chen­den in der Nach­bar­schaft um­ge­hen und was es be­deu­tet, als Ab­ge­wie­se­ner iso­liert in der Schweiz zu leben. Mit ein­drück­li­chen Bil­dern wird die bit­te­re Wirk­lich­keit aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln ge­zeigt. Die Asyl- und Aus­län­der­the­ma­tik ist in der Schweiz ein emo­tio­na­les Thema. Auch im Kan­ton Uri wird es ak­tu­ell mit der ge­plan­ten Ge­birgs­un­ter­kunft Schweig in Realp. «Schon früh er­fah­ren wir, dass nicht alle Men­schen, die hier leben wol­len, auch blei­ben dür­fen», sagt Re­gis­seur Roman Vital. Mit «Life in Pa­ra­di­se» will er auf­zei­gen, was es be­deu­tet, tag­täg­lich die­sem Hin- und Her­ge­ris­sen­sein aus­ge­setzt zu sein und damit zu leben.

Re­gis­seur er­hielt meh­re­re Prei­se

Der 38-jäh­ri­ge Vital wuchs in Arosa auf und lebt seit 2006 in Zü­rich. 1998 ge­wann er mit sei­nem Kurz­film «Das Bi­ki­ni Atoll» meh­re­re Aus­zeich­nun­gen. Mit «Bar­rio Pablo Es­co­bar» holte er sich den För­der­preis der ba­den-würt­tem­ber­gi­schen Film­in­dus­trie und fei­er­te auf ver­schie­de­nen Fes­ti­vals Er­fol­ge. 2010 wurde er vom Kan­ton Grau­bün­den mit dem För­der­preis für sein bis­he­ri­ges Schaf­fen aus­ge­zeich­net. 2011 war er mit­be­tei­ligt an der Do­ku-Rei­he für «SF bi de Lüt» über Schre­ber­gärt­ner.

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